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Was geschah in Meinerzhagen?
Die SPD feierte 2013 den 150. Jahrestag ihrer Gründung in Leipzig.
Was geschah 1863 in Meinerzhagen? Gab es hier auch schon so früh sozialdemokratische Aktivitäten?
Die Gründung sozialdemokratischer Parteiverbände erfolgte in den ersten Jahren zuerst in den Großstädten. Dabei hatte die SPD ihre Wurzeln vor allem in den neuen Industriebetrieben, die sich im Rahmen der industriellen Revolution vor allem in den Ballungsräumen bildeten. In den ländlichen Bereichen erfolgte daher die Gründung sozialdemokratischer Ortsvereine in der Regel erst in den kommenden Jahrzehnten. Im ländlichen Bereich war die Bevölkerung konservativer, es gab erst wenig Industrie und die soziale und staatliche Kontrolle war größer. Trotzdem gelang es der SPD in den folgenden Jahren im gesamten Reichsgebiet ihren politischen Einfluss zu vergrößern.
1878, unter dem sogenannten Sozialistengesetz, wurde die SPD zum ersten mal verboten. Aus dieser Zeit stammt auch der erste Aktenvermerk über sozialdemokratische Aktivitäten in Meinerzhagen: Am 15. Juni 1878 schickte der königliche Landrat in Altena, von Holtzbrink, einem Meinerzhagener Amtmann folgendes Schreiben: „Euer Wohlgeboren ersuche ich mir bald gefälligst und spätestens in acht Tagen ein Verzeichnis aller in ihrem Bezirke vorhandenen und ermittelten Sozialdemokraten und der in dieser Richtung verdächtigen Subjekte mit ihrem Wohnort und ihrer Arbeitsstätte aufstellen lassen zu wollen.“
Der Meinerzhagener Amtmann von Orsbach berichtet am 24. Juni 1878, dass sich dem hiesigen Amtsbezirk nur ein Sozialdemokrat befinde. Dieser sei der Schreiner Louis Kirmse. Derselbe habe, wovon sich der Amtmann selbst bei der Postverwaltung überzeugte, das sozialdemokratische Blatt ‘Vorwärts‘ bestellt. Das politische Interesse des Schreiners Kirmse für die Sozialdemokratie blieb in dieser Zeit und für Meinerzhagen vorerst eine Episode. Dies änderte sich aber 1892 durch den Bau der Volmetalbahn. Dadurch kam die Industrie nach Meinerzhagen: 1896 die Eisengießerei Schleiffenbaum, 1898 die Gesenkschmiede Classen und Schröder und weitere Firmen wie 1905 die Metallwerke Sassenberg & Co, aus denen später die Metallwerke Otto Fuchs hervorgingen.
Mit der Entwicklung der Meinerzhagener Industrie rückte auch im oberen Volmetal …

… die Frage nach der gesellschaftlichen Stellung der Arbeiterschaft in den Vordergrund. Besonders in den größeren Betrieben war es die aufstrebende Facharbeiterschaft, die ein eigenes politisches Bewusstsein entwickelte und sich zur Sozialdemokratie hin orientierte.
Zu den Reichstagswahlen 1903 fand zum ersten Mal eine SPD-Veranstaltung in Meinerzhagen statt, in der der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Gewehr sprach. Bei der Reichstagswahl 1907 eroberte der Sozialdemokrat Spiegel den Wahlkreis Altena-Lüdenscheid, zu dem auch Meinerzhagen gehörte. Spiegel hatte vorher eine Wahlversammlung in Meinerzhagen abgehalten – auf freiem Feld, dass der hiesige Landwirt Büssemeyer zur Verfügung stellte. Ein Lokal war für die SPD-Veranstaltungen zu dieser Zeit kaum zu bekommen, da die Gastwirte mit Schwierigkeiten von Seiten der Obrigkeit bzw. Polizei zu rechnen hatten. Keimzelle der Meinerzhagener SPD wurde der am 13. Januar 1905 gegründete Männergesangsverein „Unter den Linden“ in der Gastwirtschaft gleichen Namens. Seine Mitglieder setzten sich zum größten Teil aus der Meinerzhagener Arbeiterschaft zusammen.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs im Jahre 1918, dem Zusammenbruch des Kaiserreichs und der Gründung der ersten deutschen Republik war nun auch in Meinerzhagen der Weg frei für die Gründung eines SPD Ortsvereins. Gründungsmitglieder waren 1919 unter anderem August und Eduard Kappel, Wilhelm Kleine u.a. In den folgenden Jahren vergrößerte sich der Ortsverein stetig. 1920 bzw. 1921 stießen zum Beispiel Wilhelm Dönneweg junior, Sohn des Gastwirtes Wilhelm Dönneweg und Schwager Eduard Kappels, sowie Emil-Hugo Rövenstrunk zum SPD Ortsverein. Dönneweg und Rövenstrunk gehörten nach dem Zweiten Weltkrieg mit Wilhelm Koopmann zu den herausragenden sozialdemokratischen Persönlichkeiten in Meinerzhagen.
Mit dem Zusammenbruch des Kaiserreiches waren in Preußen …

… auch das Dreiklassenwahlrecht und die ebenso ungerechten Bestimmungen für die Kommunalwahlen verschwunden. Vier Mandate konnten die Meinerzhagener Sozialdemokraten bei den Kommunalwahlen in den zwanziger Jahren erringen und behaupten. Gewählte SPD Gemeindevertreter waren Theodor Gautrein, Emil Schulte, Karl Koch und Augusto Keul. Aber noch blieb man in der politischen Minderheit.
Mit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929/30 radikalisierte sich das politische Leben zunehmend. Nachdem Hitler im Januar 1933 an die Macht gebracht worden war fanden im März 1933 die letzten noch halbwegs freien Kommunalwahlen statt. Die SPD ging mit Eduard Kappel, damals Betriebsleiter in einem großen Meinerzhagener Unternehmen, als ihrem Spitzenkandidaten in diese Wahl. Mit dem kurze Zeit danach folgenden Verbot der sozialdemokratischen Partei wurden Wahlen und Wahlergebnis allerdings wertlos.
1945 folgte der totale Zusammenbruch. Deutschland war weithin eine Trümmerwüste, besetzt von den Siegermächten. Über all waren Not und Elend. Millionen Deutsche aus den verlorenen Ostgebieten mussten untergebracht und versorgt werden. Das Wort von der »Stunde Null« entstand. Nun waren es die Männer und Frauen der ersten Stunde, die den Neuanfang und den Aufbau des darniederliegenden Deutschlands wagten. Dies galt nicht zuletzt auch dem Aufbau einer demokratischen Selbstverwaltung in den Städten und Gemeinden. In Meinerzhagen wurde im Spätsommer 1945 der SPD Ortsverein neu gegründet. Vorsitzender wurde Wilhelm Dönneweg junior.
Im September 1946 fanden die ersten freien Kommunalwahlen seit 1933 statt.

Am 4. Oktober 1946 traten im Hotel Wirth die gewählten Gemeindevertreter zur konstituierenden Sitzung zusammen Zum Bürgermeister der Gemeinde wurde mit einer Stimme Mehrheit Wilhelm Koopmann (SPD) gewählt. Sein unterlegener Mitbewerber war Karl Groll von der CDU, ebenfalls ein bewährter und aufrechter Demokrat, der schon in den zwanziger Jahren kommunalpolitisch tätig gewesen war. Zum stellvertretenden Gemeindebürgermeister wurde der SPD-Fraktionsvorsitzende Wilhelm Dönneweg gewählt. Die Amtsvertretung (Meinerzhagen und Valbert) wählte wenige Tage später Karl Groll zum Amtsbürgermeister. Wilhelm Koopmann blieb Bürgermeister bis 1960 und Amtsbürgermeister bis 1964.
Schon 1948 hatte die SPD bei den Kommunalwahlen in Meinerzhagen die absolute Mehrheit errungen. Große Verdienste erwarb sich Wilhelm Koopmann in den Notjahren nach dem verlorenen Krieg, insbesondere um die Integration der ostdeutschen Neubürger, die durch Krieg und Vertreibung nach Meinerzhagen gekommen waren.
Zentrales, ja schicksalhaftes Thema in Meinerzhagen war nach 1945 die Erhaltung der Gemeinde als Industriestandort. Die Metallwerke Otto Fuchs standen auf der Demontageliste der Alliierten. Auf Antrag der SPD-Fraktion beschloss der Gemeinderat einstimmig eine Resolution folgenden Inhalts: „Die Firma Otto Fuchs, Meinerzhagen, hat eine Belegschaft von mehr als 1000 Menschen. Eine Demontage dieser Firma würde daher für die Gemeinde Meinerzhagen eine furchtbare katastrophale Lage, ja den Zusammenbruch der Gesamtstruktur der Gemeinde bedeuten, zumal durch diese mehr als 1000 Arbeitnehmer mit ihren Familien zu ständiger Arbeitslosigkeit verurteilt wären. Ein großer Teil der hier untergebrachten Ostflüchtlinge würden ebenfalls hiervon betroffen und der Arbeitslosigkeit anheimfallen. Alle hier ansässigen Handelsfirmen müssten dieses Schicksal teilen und unübersehbare Not würde die Demontage dieser Firma für Meinerzhagen bringen. Der Rat der Gemeinde Meinerzhagen bittet daher alle vorgesetzten Behörden, insbesondere die Regierung Nordrhein-Westfalens, dem Ernst der Lage entsprechend alles daran zu setzen, dass dieses Werk, mit dem unsere Gemeinde entweder lebt oder elend zu Grunde geht, für Meinerzhagen erhalten bleibt.“
Wilhelm Koopmann und Wilhelm Dönneweg, der selbst als Abteilungsleiter bei Fuchs tätig war, waren in dieser für Meinerzhagen so entscheidenden Existenzfrage unermüdlich unterwegs und gewannen einflussreiche Stellen zur Unterstützung des gemeinsamen Anliegens. Schließlich wurden die Metallwerke Fuchs von der Demontageliste gestrichen. Meinerzhagen konnte aufatmen!
Die Entwicklung Meinerzhagen nach dem Krieg war außergewöhnlich.

Während zum Beispiel in der Zeit von 1885 – 1939 die Zahl der Einwohner nur langsam von 2567 auf 4735 gestiegen war, hatte Meinerzhagen 1950 schon 7200,1956 dann 8019 und1961 gar 10.500 Bürger. In den fünfziger Jahren begann durch die Baugesellschaft der Wohnungsbau in großem Stil, um der drückenden Wohnungsnot Herr zu werden. Anfang der 50er Jahre war auch das Freibad an der Oststraße entstanden.
Es folgte dann, besonders in den 60er Jahren, der Ausbau der kommunalen Infrastruktur: neue Schulen, Sportanlagen, moderne Wasserversorgung. In den 70er Jahren wurden vor allem die planerischen Voraussetzungen für neue Industrie- und Gewerbeflächen (Schwenke, Darmche,) geschaffen. Von 1946 – 1964 bestimmte Wilhelm Koopmann an führender Stelle die Kommunalpolitik in Meinerzhagen mit. Zunächst als Bürgermeister der Gemeinde, dann auch des Amtes (M+Va) Meinerzhagen. 1964 – 1977 war Emil-Hugo Rövenstrunk – ein besonders volkstümlicher Kommunalpolitiker – Bürgermeister des Amtes Meinerzhagen. Beruflich als Betriebsleiter lange Zeit bei den Metallwerken Fuchs tätig, war er von 1958-1976 auch Zweiter Vorsitzender des SPD Ortsvereins.
Die kommunale Gebietsreform im Jahre 1969 löste das Amt Meinerzhagen auf …

… und schloss die Gemeinde Valbert mit Meinerzhagen zur neuen Stadt Meinerzhagen zusammen. 1977 trat Emil-Hugo Rövenstrunk nach 13-jähriger Bürgermeistertätigkeit aus Altersgründen zurück. Sein Nachfolger wurde der Parteifreund und frühere Bürgermeister der Gemeinde Valbert, Wilhelm Niggemann. Und seit dem Oktober 1979 bis 1999 stand mit Jürgen Pietsch ein weiterer Sozialdemokrat an der politischen Spitze der Stadt Meinerzhagen. Dieser langen und erfolgreichen Amtsperiode schließt sich eine fast ebenso lange und nicht weniger erfolgreiche Amtsperiode an: Von 1999 bis 2014 war Erhard Pierlings zuerst Stadtdirektor, dann hauptamtlicher Bürgermeister in Meinerzhagen.
Auch in Valbert hatten sich 1919 unter Führung des Steinbruchmeisters Eduard Niggemann und seines Bruders, des Gastwirtes und Hoteliers Fritz Niggemann Sozialdemokraten zu einem eigenen Ortsverein zusammengeschlossen. Von 1950 bis zur kommunalen Neuordnung stellten sie mit Walter Lynker und Wilhelm Niggemann die Bürgermeister dieser Gemeinde.